Beratung ohne Ratschlag – wie soll das denn gehen?

“Kannst du mir nicht sagen, was ich tun soll?” 

So oder so ähnlich hört sich das oftmals in den ersten Coaching Sitzungen mit neuen Klient*innen an. Externer Rat ist oft der erste Impuls von hilfesuchenden Menschen, allerdings werden wir im Coaching damit nicht dienen und das aus gutem Grund. Aber wieso eigentlich?

 

 

Schubladen im Kopf

Ein Grund ist die Funktionsweise unseres Gehirns, genauer gesagt des rechten Hippocampus und des linken Gyrus Fusiformis. Um die Informationslast zu reduzieren, denkt unser Gehirn in Schubladen oder anders gesagt in Kategorien. Anstatt alle notwendigen Informationen zu erfragen beziehungsweise abzuwarten, um ein vollständiges Bild zu gestalte, ordnen wir die erhaltenen Informationen verfrüht einer Kategorie zu, die wir aus Vergangenheitswerten gebildet haben. Diesen Vorgang bezeichnet man als Transderivationale Suche und er läuft in der Regel ohne unser Zutun ab.

 

 

Wirklichkeit ist nicht gleich Wirklichkeit

Daher sprach Paul Watzlawick (verstorbener österreichischer Philosoph und Psychotherapeut) von sogenannten Wirklichkeitskonstruktionen. Genauer gesagt von der Wirklichkeit 1. Ordnung, welche objektiv allgemeingültig von der großen Mehrheit der Menschheit akzeptiert  wird (zB die Menge von 500ml Wasser). Die Wirklichkeit 2. Ordnung hingegen weist der vermeintlich objektiven Sache eine jeweils individuelle Bedeutung zu, dies “ist die Ebene der Wert-, Bedeutungs- und Sinnzuschreibung, d.h. der unterschiedlichen Weltbetrachtungen/bilder, die nicht objektiv und ein für alle mal beschreiben und klar definiert sind. Daher gibt es für ihn keine objektive, letztgültige, unabänderliche Wahrheit, sondern nur Konstruktionen bzw. Bilder von Wirklichkeiten. Das Glas Wasser als halb voll oder halb leer zu sehen ist für ihn eine Wirklichkeit 2. Ordnung, eine subjektive Wirklichkeit als Folge einer individuellen Bedeutungszuschreibung.”

Glas - halb voll oder halb leer?

Vielleicht etwas plastischer als Beispiel könnte folgendes sein:

Neulich auf einer Abendveranstaltung erzählte mir ein anderer Teilnehmer, dass er nun ein Haus mit großem Garten gekauft hätte. In meinem Kopf schrillen sofort die Alarmglocken, da ich mit einem großen Garten viel Arbeit verbinde, weil ich als Kind jeden Samstag den Rasen mähen musste. Für mein Gegenüber jedoch bedeutet ein Garten Freiheit, da er mitten im Stadtzentrum aufgewachsen war.

Arbeit am Haus
Entspannung

So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein, basierend auf unseren Erfahrungen, Erinnerungen und Bedeutungsbeimessungen.

Wenn wir nun also wissen, dass es so gut wie unmöglich ist, die Wirklichkeitskonstruktion unseres Gegenübers tatsächlich in Gänze zu verstehen, stellt sich die Frage, auf welcher Basis wir denn überhaupt einen Ratschlag geben können.

 

Ratschläge sind auch Schläge

Dieses Sprichwort wirkt plakativ, beinhaltet aber auch viel Wahrheit. Warum ist das so? Häufig werden bereits nach wenigen Informationen großzügig, oftmals ungefragt, Ratschläge verteilt. Dies wirkt sich aus verschiedenen Gründen negativ beim Empfänger aus: 

  1. Wenn die Lösung so einfach wäre, wäre der Empfänger mit Sicherheit selbst draufgekommen.
  2. Die Selbstwirksamkeitserwartung, eigene Lösungen erarbeiten zu können, wird sukzessive verringert.
  3. Fehlgeschlagene Ratschläge wirken problem-stabilisierend (“wenn ich nicht mal mit den besten Ratschlägen mein Problem lösen kann, dann ist es wohl unlösbar”)
  4. Ein heute passender Ratschlag könnte morgen bei leicht veränderten Voraussetzungen unpassend sein, was einem erneuten Ratschlag bedürfte.

Aus diesen Gründen verzichten wir im systemischen Coaching gänzlich auf Ratschläge und setzen vielmehr auf die Lösungskompetenz unserer Klient*innen.

Die Lösung ist bereits in dir

Wir sind fest davon überzeugt, dass die einzig passende und nachhaltige Lösung nur von innen heraus selbst erarbeitet werden kann. Daher bieten wir unseren Klient*innen den Raum, ihr als problematisch erlebtes Erleben aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und mit Hilfe von systemischen Fragen zu analysieren, um den Lösungsraum möglichst vielfältig zu gestalten und Handlungsoptionen erlebbar zu machen.

 

Fazit

Wirklich nachhaltig wirksame und passende Lösungen müssen vom Problem-Erlebenden selbst erarbeitet werden, um zur eigenen Wirklichkeitskonstruktion passen zu können. Mit Hilfe von Perspektivwechseln und systemischen Fragetechniken wird dies im systemischen Coaching möglich gemacht und sukzessive die Selbstwirksamkeitserwartung der Klient*innen gesteigert.

Du hast genug Ratschläge bekommen und möchtest endlich eine zu dir passende Lösung erarbeiten? Dann melde dich bei uns!